Während große Pläne Wirklichkeit werden, zieht das Leben schon im Kleinen ein.

Wer zum ersten Mal das CreativRevier Heinrich Robert besucht, staunt erst einmal: über die Dimensionen des Bergbaus und die sakral anmutende Industriearchitektur, über prachtvolle Buntglasfenster und riesige Kauen, in denen hunderte von Körben vom täglichen Schichtwechsel zeugen. Auch über all die Spuren der Bergleute, die hier gearbeitet haben. Handgeschriebene Schilder mit Warnhinweisen und Würstchenpreisen, abgetretene Stufen, altes Werkzeug, wucherndes Grün zwischen rostigen Eisen.

Als 2010 die Maschinen im Bergwerk verstummten, ging eine Ära zu Ende. Die letzte der vier großen Zechen in Hamm war geschlossen, und zurück blieb ein riesiges Areal von 53 Hektar mit den monumentalen Zeugen der Bergbaugeschichte. Der 64 Meter hohe Förderturm, die ehrwürdige Lohnhalle, imposante Waschkauen und das schicke Verwaltungsgebäude erinnern an Zeiten, als hier bis zu 5.000 Bergleute arbeiteten.

Einst ein verschlossener Ort, fast wie eine „verbotene Stadt“, beginnt das Areal heute, als CreativRevier Heinrich Robert ein von Leben erfüllter Anlaufpunkt im Westen Hamms zu werden.

Fertig ist hier noch nichts. „Gerade das macht den besonderen Reiz des Geländes aus“, sagt Elmar Marx als Geschäftsführer der Caritas, die in diesem Jahr mit der Jugendwerkstatt in den Direktorentrakt des Bergwerks einzog, als einer von mehr als zehn Mietern im CreativRevier. Im Übergang von der Vergangenheit in die Zukunft, vom verlassenen Bergwerk zum lebendigen Stadtquartier, müssen unterschiedliche Interessen koordiniert werden. Da ist die RAG als Eigentümer, da sind die Bürgerinnen und Bürger, die Verantwortlichen aus Politik und Verwaltung. Früh war auch Jürgen Tempelmann mit seiner Prisma GmbH & Co. KG als Investor eingestiegen. Ihm gehörten heute ein großer Teil der Gebäude und Flächen im Herzen des CreativReviers.


CreativQuartier

Das CreativQuartier mit den zum Teil denkmalgeschützten Bergwerksgebäuden ist das Herzstück des 53 Hektar großen Gesamtareals, des „CreativReviers“. Im CreativRevier sind Flächen für Wohnen und Gewerbe und Einzelhandel vorgesehen. Grafik: postwelters | Partner Stand 2022

Die IMPULS, damals noch Wirtschaftsförderung Hamm, nahm sich der Herausforderung an und gründete Ende 2017 die Entwicklungsagentur CreativRevier Heinrich Robert GmbH, an der auch die RAG und die Prisma als Gesellschafter beteiligt sind. Sie ließ aus Mittel des Landes NRW das Gelände vermessen, beauftragte Gutachten und begleitete die notwendigen berg- und planungsrechtlichen Schritte. Ende 2023 wurden vom Stadtrat vier Bebauungspläne verabschiedet. Schwerpunkte sind Wohnen, Gewerbe, Einzelhandel und das historische „CreativQuartier“ mit den denkmalgeschützten Gebäuden, wo vor allem Kunst, Kultur, Kreativ- und Freizeitwirtschaft einen Ort zur Entfaltung finden sollen.

Doch so beeindruckend das alles auch wirkt – wer braucht so etwas wie zum Beispiel die riesige Halle der Weißkaue? Wie macht man daraus kleinere Einheiten, die man nachhaltig beheizen, belüften, belichten und letztendlich vermarkten kann? Geht das überhaupt? – Der Entwurf eines niederländischen Büros zeigte eine Lösung auf: Ein Konzept aus integrierten Kuben, die flexibel für Wohnen, Gewerbe und Handel nutzbar sind und in mehreren Stockwerken eingezogen werden, machen die Fläche nutzbar, ohne den imposanten Raumeindruck zu zerstören.

Ob die Zukunft wirklich so oder ganz anders aussehen wird, ist noch offen. Noch sind Bauarbeiter mit Aufräumarbeiten beschäftigt. Noch tauchen immer wieder Überraschungen und Schwierigkeiten auf. Der Brand des Kühlturms im November war ein Beispiel. Doch während die großen Pläne reifen, hat eine ganze Reihe kreativer Köpfe bereits damit begonnen, ihre eigenen Zukunftsvisionen umzusetzen. Statt starre Pläne vorzugeben, lässt das CreativRevier Raum für organische Entwicklungen. Schritt für Schritt kehrt Lebens ins Revier zurück.

In der Lohnhalle lockt inzwischen das Café de Wendel mit Ambiente und Torten. Über dem Café haben sich Enya Kattwinkel und Jessica Kerkmann mit waves ihren Traum vom Pole-Dance- und Pilatesstudio erfüllt. Nebenan arbeitet Simon Thon an Gemälden. Und im Verwaltungsgebäude, dem edelsten Teil der Anlage, hat die Caritas eine Jugendwerkstatt eingerichtet mit Holzwerkstatt und Lehrküche im Erdgeschoss und Schulungs- und Sozialräumen im Obergeschoss. Alle berichten, dass das besondere Ambiente des Ortes auch viele Teilnehmer:innen und Gäste anzieht.

Auch Fachbesuchee:innen zieht das Projekt an. Im Oktober war das CreativRevier Station einer Exkursion eines niederländischen Planungsverbands durch die Metropolregion Rhein-Ruhr. Nach Projekten in Köln, Duisburg und Dortmund besichtigten sie das CreativRevier und informierten sich über die Planung. Bemerkenswert fanden sie unter anderem, dass das Projekt sich nicht erst mit fertigen Konzepten präsentierte. Die Mieter brachten Leben und Ideen ein, bevor die Pläne bis ins letzte Detail fixiert waren. „Das ist etwas, was wir in den Niederlanden so nicht sehen“, bemerkte ein Gast. „Hier wird das Potenzial genutzt, auch wenn die Entwicklung noch im Gange ist.“ Das Unfertige gehört hier zum Programm. Für das besondere Ambiente und das kreative Umfeld nehmen sie auch manche Unbequemlichkeiten und Risiken in Kauf.

Denn das CreativRevier Heinrich Robert bleibt ein Ort der Gegensätze, an dem Erinnerungen an eine vergangene Industrieära neue Impulse für Kultur und Gemeinschaft geben können.

Vermietungen und Veranstaltungen

Im CreativRevier Heinrich Robert ist noch viel Platz für kreative Köpfe!
Ansprechpartner für Vermietungen und Veranstaltungen ist Andreas Heuser.
Telefon 02362/943040
info@creativrevier-hamm.de


Fotogalerie: © Nico Schmitz


„Es läuft super. Vor allem freitags ist das Café richtig voll, neugierige Gäste kommen teilweise von weit her, und es werden immer mehr.

„Das CreativRevier ist für mich wie ein eigener Kosmos. Ich genieße das jeden Morgen, wenn ich hier mit meinem Fahrrad ankomme. Der Abstand zum Alltag öffnet den Horizont.“

„Wir behalten das Gelände im Auge. Ich liebe den Ort, die Ruhe hier draußen, die Natur – und dann wieder große Events und die Gemeinschaft mit den anderen Mietern, die alle etwas bewegen. Es ist etwas ganz Besonderes, hier dazuzugehören.“

„Das Umfeld passt zu uns. Wir stehen nicht für Standard-­Lösungen, sondern für Kreativität und Individualität. Auch bei unseren Kunden kommt das gut an.“

„Dies ist ein Ort der Transformation. Hier ist etwas zu Ende gegangen, daraus entsteht etwas Neues und Großes. Dazwischen liegen Baustellen, Übergangszeiten, die manchmal auch anstrengend sind. Manche unserer Teilnehmenden haben ähnliche Erfahrungen gemacht. Der Ort inspiriert sie und macht ihnen Mut.“

„Wir lieben diesen Ort, er ist etwas Besonderes. Das sehen auch unsere Teilnehmenden so, sie kommen gerne aufs Revier. Viele schätzen den Mix aus Industrieambiente und modernem Design.“

Bitte akzeptieren Sie die Marketingcookies um das Youtube Video anzuzeigen.

Die Kunst, das Geld und das Leben

Simon Thon war einer der ersten Mieter im CreativRevier Heinrich Robert. Im Gespräch kamen wir schnell auf grundsätzliche Fragen.

Bist du Künstler?

Simon Thon: Ich habe an einer Kunstakademie studiert, ich male und verkaufe Bilder, die Malerei ist ein wesentlicher Bestandteil meines Lebens. Bin ich deswegen Künstler? Den größten Teil meines Lebensunterhalts verdiene ich mit Porträtfotos und mittlerweile vor allem mit Firmenvideos. Da bin ich Dienstleister. Und doch, gerade meine Porträtfotos sind für mich auch ein Teil meiner Kunst.

Welchen Stellenwert hat die Selbstständigkeit für dich?

Simon Thon: Es gab einen Zeitpunkt in meinem Leben, an dem ich ins Zweifeln geriet und überlegte, ob ich nicht doch eine Anstellung anstreben sollte. Da kam viel zusammen: Corona ließ meine Auftragssituation einbrechen, ich hatte gesundheitliche Probleme und wurde gleichzeitig Vater. Ich zweifelte, entschied mich dann aber doch für die Fortführung meiner Selbstständigkeit. Ich habe es nicht bereut.

Warum bist du ins CreativRevier gezogen?

Simon Thon: Der Ort hier hat mich vom ersten Augenblick an begeistert. Zunächst schreckte mich jedoch die Entfernung ab, ich wohne in der Innenstadt, hatte ein Atelier in der Galerie der Disziplinen am Museumsquartier gemietet. Doch dann bot sich die Möglichkeit für ein deutlich größeres und helleres Atelier im CreativRevier. Mittlerweile liebe ich es, jeden Morgen mit dem Fahrrad hier rauszufahren, zu sehen, wie die Fördertürme vor mir erscheinen und schließlich hier in einen eigenen Kosmos einzutauchen.

Was hast du dir für die nächste Zeit vorgenommen?

Simon Thon: Mich häufiger einzumischen. Vor einiger Zeit habe ich beschlossen, das zu meiner persönlichen Challenge zu machen. Es gibt besorgniserregende Entwicklungen in der Gesellschaft, so viel Frust, Hass und Resignation. Das will ich nicht hinnehmen.Ich möchte dazu beitragen, dass es in eine andere Richtung geht. Das beginnt damit, auch dann das Gespräch zu suchen, wenn man nicht einer Meinung ist.

www.simonthon.com

www.simonthongalerie.com

Den Beitrag teilen mit: