Wachstum durch Vereinbarkeit

Storybild Trianel Unternehmensaufnahme

Prof. Dr. Jutta Rump gehört zu den Vordenkerinnen von Personalmanagement und Organisationsentwicklung in einer sich ändernden Arbeitswelt. Wir fragten sie, wie sie die aktuelle Situation einschätzt und was Familienfreundlichkeit den Unternehmen bringt.

Welche Rolle spielt das Thema Vereinbarkeit aktuell bei der Gewinnung und Bindung von Fachkräften? Ist das nicht ein alter Hut?

Jutta Rump: Es ist ein alter Hut und gleichzeitig aktuell wie nie zuvor. Ursprünglich war die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein ­Thema der Frauenpolitik. Die Unternehmen haben das ungenutzte Potenzial gut ausgebildeter Frauen realisiert, am Anfang noch ganz im alten Rollenverständnis als Zuverdiener-Modell. Dann kam das Thema Pflege ­hinzu, schließlich hat man auch die Väter ­entdeckt. Anfang 2010 änderte sich die ­Situation: Erstmals wurden Arbeitskräfte knapp, die junge Generation stellte Forderungen. Damit war Vereinbarkeit zu einem ­zentralen Thema der Arbeitgeberattraktivität geworden. Heute sind wir darüber schon hinaus. Es geht nicht mehr um Attraktivität, nicht um ein Nice-to-have. Es geht um eine absolute Notwendigkeit, um eine Wettbewerbsstrategie.

Zieht das Thema auch bei der ­jüngeren Generation?

Jutta Rump: Absolut. Besonders die Generationen Y und Z legen großen Wert auf eine gute Work-Life-Balance. Sie suchen Arbeitgeber, die flexible Arbeitsmodelle anbieten und eine Balance zwischen beruflichen und privaten Verpflichtungen ermöglichen. Für viele junge Menschen ist dies ein entscheidender Faktor bei der Wahl ihres Arbeit­gebers.

Die Stadt Hamm will sich als „Familienfreundlichste Stadt Deutschlands“ positionieren und hat dafür bereits konkrete Maßnahmen ergriffen. Nützt das den Unternehmen?

Jutta Rump: Familienfreundlichkeit ist ein bedeutender Standortfaktor. Wenn eine Stadt wie Hamm die Kinderbetreuung ausbaut und die Gebühren senkt, entlastet das die Familien erheblich. Wenn die Kinder gut betreut sind, profitieren auch die Unternehmen. Es geht ja nicht nur darum, wie viele Personen ich für mein Unternehmen gewinnen und halten kann. In Zukunft ist die Frage, wie viel Arbeitszeitvolumen Eltern für den Betrieb zur Verfügung stellen. Stunden sind die neue Währung. Fehlende Kinderbetreuung ist eine Wachstumsbremse.

Berufsbiografien sind heute vielfältiger geworden, und nicht jede verläuft nach dem Schema Vater-Mutter-Kind plus Eigenheim. Was unterscheidet eine lebensphasenorientierte Personalpolitik im Jahr 2024 von familienfreundlichen Maßnahmen der Vergangenheit?

Jutta Rump: Im Grunde genommen steht immer wieder die Autonomie über die eigene Zeit im Fokus, ob es jetzt Zeit für die Familie, für ein Hobby oder eine private Weiterbildung ist. Wir brauchen Strukturen, die den Bedürfnissen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angepasst werden können. Flexible Arbeitszeiten und mobile Arbeitsplätze sind – wo das möglich ist – zentrale Maßnahmen, auch die Organisation von Meetings und die konkrete Arbeitszeitgestaltung. Das sind teilweise sehr individuelle Themen. Wenn Betriebe hier ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entgegenkommen, ist für beide Seiten viel gewonnen.

Wie stehen kleine Betriebe im Wettbewerb um familienfreund­liche Arbeitsbedingungen da?

Jutta Rump: Kleine Betriebe haben hier oft einen Vorteil, den sie vielleicht gar nicht so bewusst wahrnehmen. Weil sie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter persönlich gut kennen, können sie viel schneller und unbürokratischer reagieren. Im Handwerksbetrieb weiß man, wer freitags nachmittags zum Fußballtraining will und wer dienstags zurzeit etwas später zur Arbeit kommt, weil er seine Mutter zur Therapie fahren muss. Und auch, wer da vielleicht einspringen kann. Solche Maßnahmen sind oft selbstverständlich, werden aber selten aktiv kommuniziert. Hier gilt: Tue Gutes und rede darüber.

Und wie sieht es bei mittelständischen Betrieben aus?

Jutta Rump: Mittelständische Unternehmen haben es in der Tat schwerer. Sie sind oft zu groß für eine persönliche, familiäre Atmosphäre, mit Charme allein kommt die Geschäftsführung hier nicht weiter. Andererseits sind sie nicht groß genug, um umfangreiche HR-Programme wie Großkonzerne anzubieten. Hier ist eine Professionalisierung im Personalmanagement notwendig. 

Es geht darum, Strukturen und Prozesse zu schaffen, die Flexibilität und individuelle Lösungen ermöglichen, ohne dabei die Effizienz zu verlieren.

Eine Kompetenzerweiterung in diesem Bereich würde viele Unternehmen im Mittelstand im Wettbewerb um Fachkräfte voranbringen.


Zur Person

Prof. Dr. Jutta Rump ist Professorin für Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen. Darüber hinaus ist sie Direktorin des Instituts für Beschäftigung und Employability (IBE). Ihre Forschungsschwerpunkte sind Trends in der Arbeitswelt wie Digitalisierung, Demografie, Diversität und gesellschaftlicher Wertewandel und die Konsequenzen für Personalmanagement und Organisationsentwicklung. Neben ihrer Forschungs- und Lehrtätigkeit ist Jutta Rump in zahlreichen Gremien auf Bundes- und Landesebene sowie in der Wirtschaft aktiv. Seit 2007 gehört sie laut Personalmagazin kontinuierlich zu den 40 führenden Köpfen für Human Resources (HR). Die Zeitschrift Personalwirtschaft der FAZ-Gruppe wählte sie unter die 50 HR-Vordenker:innen aus fünf Jahrzehnten („50 Jahre – 50 HR-Vordenker*innen“).


Hintergründe und Podcast findest du unter: https://www.ibe-ludwigshafen.de/aktuelles/news-events/

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