50 Jahre „Musik Hans“

„Musik Hans“ in der Lutherstraße sieht aus, wie man sich ein schmuckes, historisches Ladenlokal vorstellt: rote Holz-Schaufenster mit geteilten Oberlichtern, drei Stufen in der Mitte führen zur passenden Jugendstiltür. Davor sind auf Klappstühlen allerlei Flöten, Zimbeln und Rasseln ausgestellt. Drinnen geht es weiter: An den Wänden hängen die Gitarren, davor reihen sich Trommeln auf. In den Regalen Donner-Rohr, Bodhrán-Schlägel, irische Flöten und exotische Rhythmusinstrumente mit klingenden Namen wie Thelevi, Agogo oder Kokiriko. Hinter der Theke plaudert der Inhaber Hans Peter mit einem Kunden. Seit 50 Jahren führt er in Hamm sein Musikgeschäft.
Hans Peter, gebürtiger Bockum-Höveler, hatte im Schwarzwald als Fernsehelektroniker gearbeitet, bevor er den Entschluss fasste, einen Musikladen zu eröffnen. „Mein Bruder spielte in einer Band, das fand ich toll.“ So beschreibt er seine Motivation. Erfahrungen als Einzelhändler oder Profimusiker hatte er nicht. „Ich hatte Lust darauf und finde es normal, im Leben das zu tun, was man wirklich will. Und dann habe ich es einfach gemacht. Das sollten viel mehr Menschen wagen.“
1975 meldete er ein Gewerbe an und suchte zunächst in Bockum-Hövel nach einem geeigneten Laden. Weil er dort kein Lokal fand, eröffnete er 1977 einen ersten Laden im Zentrum, in der historischen Häuserzeile der Südstraße. Zwei Jahre später zog er in das Nachbarhaus um. Das „Musik Haus“ wurde zur Anlaufstelle für Musiker – vor allem für jene aus der Folk- und Rockszene.
Verschönerungen fürs Stadtbild
„Das Gebäude war das schäbigste in der ganzen Straße“, erinnert sich Hans Peter. Für 50 Mark kaufte er Farbe, baute ein wackliges Gerüst und machte sich an die Verschönerung der Fassade nach einem alten Foto. Hilfe bekam er von Jürgen Mevis, einem Musiker und Maler, der die Schilder bemalte und sogar den einstigen Stuck imitierte. Die Nachbarn folgten dem Beispiel, sodass die historische Häuserzeile wieder im alten Glanz erstrahlte. Jahre später setzte sich eine Initiative erfolgreich für den Erhalt der Fassaden ein.
2008 folgte der Umzug in die eigene Immobilie in der Lutherstraße, nun unter dem Namen „Musik Hans“. Auch hier orientierte sich Hans Peter bei der Renovierung an historischen Fotos. Er rekonstruierte die Schaufenster mit den geteilten Oberlichtern, fand die Stufen des ursprünglichen Eingangs noch hinter einer Verkleidung. Die heutige Tür stammt aus dem ersten Laden in der Südstraße. „Der Vermieter wollte sie wegwerfen, doch ich fand sie zu schade und hob sie auf“, erzählt er. Drei Jahrzehnte lagerte sie auf dem Speicher, nun passte sie perfekt. Heute wirkt die Fassade wie aus einem Guss, als wäre sie nie verändert worden.
Seit 50 Jahren kann sich Hans Peter am Markt behaupten. Leicht war das nicht. „Existenzielle Probleme gab es immer wieder“, sagt er.
Märkte und Festivals waren oft ein wesentliches Zubrot – insbesondere große Folk-Festivals. In der Corona-Zeit wurden die Öffnungszeiten auf die Nachmittage eingeschränkt und danach auch nicht wieder ausgeweitet. „Das kann ich personell nicht mehr stemmen“, sagt Hans Peter. „Während der Corona-Zeit haben sich mehr Menschen an Bestellungen im Internet gewöhnt.“ Meistens ist Hans Peter selbst im Laden anzutreffen, manchmal unterstützt ihn Guido Ryborsch, der im Hammer Westen seit über 20 Jahren eine Gitarrenschule betreibt.
Musik Hans
Ein Geburtstagsständchen für Hamm: Hans Peter, zur Feier des Tages mit Rose am Hut, greift zur Gitarre.

The Founder
Zum 50-jährigen Jubiläum räumte Hans Peter in seinem Laden eine Wand für Erinnerungsstücke und -fotos frei. Im Mittelpunkt, mit einer gehörigen Portion Selbstironie, die gerahmte Vergrößerung eines zerknitterten Passfotos aus den 1970er Jahren: „The Founder“.
Hans Peter legt großen Wert auf eine individuelle Beratung und eine sorgfältige Qualitätsprüfung. „Wir spielen jedes Instrument, bevor es in den Verkauf geht“, erläutert er. „Ein Hersteller hat uns irgendwann nicht mehr beliefert, weil wir zu viele Reklamationen hatten.“ Für ihn ist das Teil der Verantwortung: dem Kunden kein Produkt zu überlassen, das seinen Ansprüchen nicht genügt.
Ein Kunde tritt ein. Jörn Pünt fiel das kleine Musikgeschäft im Vorbeigehen auf, zumal man ihm in seinem Heimatort Drensteinfurt bereits davon erzählt hatte: „Wenn du etwas Besonderes suchst, geh zu „Musik Hans“ in Hamm!“ Spontan schaut er hinein, erkundigt sich nach einer extra großen Triangel, findet dann aber Gefallen an einer westafrikanischen Trommel, einer Djembé. Er trommelt ein wenig, lässt sich Herkunft, Herstellung und Besonderheiten erläutern.
„Instrumente muss man anfassen und ausprobieren können“, findet er. „Daher müssen solche Läden unbedingt erhalten bleiben. Ich komme wieder.“
Die Kunden kommen aus Hamm und Umgebung, viele sind Stammkunden. So zum Beispiel die ehemalige Oberbürgermeisterin Sabine Zech, die vor einem Konzert noch dringend Saiten für ihre Viola brauchte – Hans Peter konnte rechtzeitig helfen. Eine Kundin aus Valencia suchte in halb Europa eineinhalb Jahre lang nach speziellen Zithersaiten, versuchte es auch über das Internet. Das misslang, es wurden die falschen Saiten geliefert. Hans Peter kannte einen spezialisierten Hersteller und konnte helfen.
Über die Jahre ist der Laden weit mehr geworden als eine Verkaufsstelle für Instrumente und Zubehör. Viele Musikerfreundschaften sind hier entstanden, Kontakte geknüpft, Projekte geplant worden. Der Laden ist auch ein Zuhause für ein lebendiges, lokales Netzwerk und ein Gegenentwurf zu schnellen Geschäften mit austauschbaren Massenprodukten.
Fotogalerie: © Heinz Feußner
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01/2025