

Die Dinge anpacken
„Miss Handwerk“ Katja Lilu Melder ist Spezialistin für Gefahrstoffsanierung
Wenn Katja Lilu Melder morgens um drei Uhr aufsteht, liegt das nicht an Schlaflosigkeit. Es ist ihr Rhythmus. Noch bevor der Tag für viele überhaupt beginnt, hat sie schon die ersten Entscheidungen getroffen. Entscheidungen, die sie als Geschäftsführerin der Firma BMG Santec GmbH täglich trifft – direkt, klar, ohne Umwege. Gemeinsam mit ihrem Mann Ralf Melder führt sie ein Unternehmen, das sich auf Gefahrstoffsanierung spezialisiert hat. Der Firmensitz liegt im Gewerbegebiet „Am Knuf“ in Hamm-Heessen.
Katja Lilu Melder ist von ganzem Herzen Handwerkerin, wurde 2025 auch zur „Miss Handwerk“ gewählt. Das war zu Beginn ihrer Berufslaufbahn nicht absehbar. Zunächst machte sie trotz ihrer frühen Affinität zum Handwerk eine Ausbildung zur Hotelfachfrau. „Meine Eltern wollten, dass ich studiere“, erzählt sie. „Die Ausbildung war ein Kompromiss mit dem Ziel, das Hotel meiner Großmutter zu übernehmen.“ Das Hotel in Dresden überstand das Elbhochwasser nicht, Melder arbeitete eine Zeitlang als Disponentin bei einer Leiharbeitsfirma, übernahm dort eine Führungsposition, hatte erste Kontakte mit dem Baunebengewerbe. Über ihren Mann, den Chemiker und Landschaftsökologen Ralf Melder, kam sie auf Gefahrstoffsanierungen. Um in diesem Bereich tätig zu werden, absolvierte sie eine weitere Ausbildung als Beton- und Abbruchtechnikerin. 2017, an ihrem Geburtstag, teilte sie ihrem Mann gleich morgens ihre Entscheidung mit: „Schatz, ich gründe eine Firma.“ Noch am selben Tag meldete sie das Gewerbe an. „Wenn ich etwas will, ziehe ich das durch.“
Vor Arbeit ist ihr nicht bange, auch nicht vor Herausforderungen auf Wegen, die vor ihr niemand gegangen ist. „Es braucht Menschen, die die Dinge voranbringen“, findet sie. Das betrifft nicht nur die Unternehmensführung. Gleich zu Beginn unseres Gesprächs stellt sie klar, welche drei Themen ihr wichtig sind: Inklusion, Ehrenamt und Frauen im Handwerk.
Fotogalerie: © René Golz
Gefahrstoffe, Recycling, Verantwortung
Die BMG Santec GmbH hat sich auf den umweltgerechten Rückbau spezialisiert. Öffentliche Auftraggeber machen den größten Teil des Kundenstamms aus. Ein zentrales Einsatzfeld ist die Asbestsanierung. Noch immer sind in Deutschland geschätzt nur rund 30 Prozent der betroffenen Gebäude fachgerecht saniert. Ein weiter Weg – und einer, auf dem sich Unternehmen wie BMG Santec mit Fachwissen und Qualität profilieren.
„Jede Baustelle ist anders, Überraschungen sind bei uns die Normalität“, erzählt sie. Die Arbeit ist anspruchsvoll, verlangt sowohl Know-how als auch Körpereinsatz.
Katja Lilu Melder weist auf den riesigen Vorschlaghammer: „Mein liebstes Werkzeug. Trotz all unserer Technik kommt der immer wieder zum Einsatz.“ Atemmasken und Ganzkörperschutzausrüstung gehören für sie und das Team zum Alltag. Die Abbruchmaterialien werden möglichst sortenrein sortiert, was sich wiederverwenden lässt, wird recycelt. „Das Ziel ist immer: so viel wie möglich zurück in den Kreislauf zu führen“, sagt der Landschaftsökologe Ralf Melder und betont den wichtigen Beitrag fachgerechter Gefahrstoffbeseitigung für die Umwelt.
Frauen auf den Baustellen
Von den rund 40 Beschäftigten bei BMG Santec sind etwa die Hälfte Frauen – und das nicht nur im Büro, sondern auch auf den Baustellen. Wenn andere Arbeitgeber klagen, dass sie Frauen ja gerne einstellen würden, wenn sich nur genug finden ließen, zuckt Katja Lilu Melder mit den Schultern: „Dann muss man sich halt Mühe geben.“ Natürlich würden sich auch bei ihr manchmal Bauherren beschweren, dass sie eine zweite Toilette aufstellen müssten. „Ja, müssen Sie“, antwortet sie. Punkt.
BMG Santec bildet im kaufmännischen und gewerblichen Bereich aus. Zwei Azubis erlernen Beton- und Abbruchtechnik – ein junger Mann und eine Frau. Zusatzqualifikationen zur Gefahrstoffsanierung gehören dazu. Weiterbildungen sind ohnehin ein zentraler Bestandteil der Unternehmenskultur. Denn die gesetzlichen Auflagen in diesem Bereich werden immer strenger und komplizierter, ändern sich ständig. Katja Lilu Melder sieht diesen Trend ambivalent: Einerseits ächzt die Firma unter Bürokratie und Kostendruck, andererseits findet sie strenge Auflagen im Bereich der Gefahrstoffsanierung unumgänglich. Nur wer regelmäßig schult, kann Qualität liefern. „Es gibt viele Firmen, die billig anbieten und es am Ende nicht können“, sagt sie. BMG Santec steht für das Gegenteil: verlässliche, zertifizierte Arbeit. Der Name „Melder“ ist in der Gefahrstoffsanierung über die Region hinaus ein Begriff.




Inklusion in der Praxis
Auch mehrere gehörlose Mitarbeitende gehören heute zum festen Team. Die Gebärdensprache erlernten Katja Lilu Melder und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf Firmenkosten. Denn auf die versprochenen staatlichen Förderungen wollte man bei BMG Santec nicht warten. „Dauert zu lange, zu viel Bürokratie“, sagt Melder. Also selbst gemacht. Für sie ist Inklusion kein Schlagwort, sondern gelebte Realität. Sie sieht ein riesiges Potenzial in Menschen mit Einschränkungen: „3,2 Millionen Menschen – und gleichzeitig suchen wir überall Fachkräfte. Da müssen wir mehr tun.“ Auch bei der Handwerkskammer, der Industrie- und Handelskammer sowie auf Landesebene macht sie sich für dieses Thema stark, etwa im Austausch mit Wirtschaftsministerin Mona Neubaur.
Bundesvorsitz Unternehmerfrauen im Handwerk
Seit 20 Jahren engagiert sich Katja Lilu Melder ehrenamtlich in verschiedenen Netzwerken, bei den Unternehmerfrauen im Handwerk übernahm sie jetzt den Bundesvorsitz. Egal ob im Betrieb, auf dem Podium oder im Verband – Melder nimmt kein Blatt vor den Mund. Sie benennt Missstände und fordert Veränderung, eckt damit auch mal an. Das Engagement kostet sie viel Zeit, doch sie findet, dass es das wert ist: „Es nützt dem Unternehmen, erweitert mein Netzwerk und stärkt meine persönliche Entwicklung. Außerdem ist es einfach ein schönes Gefühl, sich einzubringen und etwas zu bewegen.“ Zum Wettbewerb „Miss Handwerk“ meldete ihr Mann sie an. In zwei Online-Votings und einer Publikumsabstimmung setzte sie sich durch und wurde 2025 zur „Miss Handwerk“ gewählt – eine Auszeichnung, die weniger mit Glitzer zu tun hat als mit Sichtbarkeit.
Sie will Vorbild sein, anderen Frauen Mut machen. Ihr Motto: „Keiner hat mir zu sagen, was ich kann oder nicht kann. Das entscheide ich allein.“
Obwohl BMG Santec auch überregional und gelegentlich im Ausland tätig ist, bleibt der Fokus klar auf der Region. Hamm ist nicht zufällig gewählt. Katja Lilu und Ralf Melder suchten auch in der Region Greven und Münster nach einem Haus. In Hamm war Wohnraum bezahlbar, hier hat die Familie ein Zuhause gefunden. Katja Lilu Melder will die Nähe zu den Baustellen und den Mitarbeiter:innen nicht verlieren. Sie will gestalten, verändern, im besten Sinne des Wortes: mit anpacken. Auch deshalb geht sie jeden Nachmittag mit ihren Hunden spazieren. Eineinhalb Stunden mindestens, um den Kopf frei zu kriegen, um Abstand zu gewinnen. Oder vielleicht einfach, weil es dazugehört – wie der Vorschlaghammer oder das Schulterzucken, wenn andere sagen, dass das so nicht geht. Geht doch.
www.bmgsantec.de
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01/2025