Was bedeutet Nachhaltigkeit? Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung erklärt es so: „Nachhaltigkeit oder nachhaltige Entwicklung bedeutet, die Bedürfnisse der Gegenwart so zu befriedigen, dass die Möglichkeiten zukünftiger Generationen nicht eingeschränkt werden.“ Doch wie kann dieses Ziel erreicht werden, wenn der menschengemachte Klimawandel bereits allgegenwärtig ist?
Im Pariser Klimaabkommen von 2015 hat sich die Staatengemeinschaft das Ziel gesetzt, die Erderwärmung auf unter 2 Grad zu begrenzen. Um dies zu erreichen, muss der Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen drastisch reduziert werden. Deutschland strebt an, bis 2045 treibhausgasneutral zu sein. Dies erfordert eine Dekarbonisierung der Energie und Rohstoffversorgung, also den Verzicht auf fossile Brennstoffe.
Eine entscheidende Rolle spielt dabei Wasserstoff. Wasserstoff kann die CO2-Emissionen wie kein anderes Element in Industrie, Kraftwerken und Schwerlastverkehr verringern, – wenn er in einem Elektrolyseur klimaneutral, also „grün“, hergestellt wird. Dafür sind Know-how, klimaneutraler Strom, Wasser und der Wille zur Veränderung in der Energieproduktion erforderlich.
In Hamm hat man bereits vor Jahren erkannt, dass die Region die besten Voraussetzungen bietet. Die Stadtwerkekooperation Trianel kann mit dem Gas- und Dampfturbinenkraftwerk in Hamm-Uentrop (TGH) sowohl Know-how, Infrastruktur als auch hochreines Wasser für die Elektrolyse beisteuern. „Außerdem sind wir uns als Stadtwerke Hamm mit Trianel und der Stadt einig, dass wir endlich handeln müssen, um die Klimaziele für 2045 zu erreichen“, zeigt Reinhard Bartsch, Geschäftsführer der Stadtwerke Hamm, deutlich den Willen zur Veränderung. Die Gründung des Wasserstoffzentrums Hamm (WZH) auf Initiative der Stadtwerke Hamm und Trianel hin war 2021 die Konsequenz dieser Willensbekundung. Inzwischen sind als Gesellschafter sowohl die Bochumer als auch die Dortmunder Stadtwerke eingestiegen. Der Plan: „Das Wasserstoffzentrum wird in direkter Nachbarschaft zum Gaskraftwerk einen Elektrolyseur mit einer Leistung von 20 Megawatt, der bis zu 1.500 Tonnen Wasserstoff pro Jahr produzieren soll, bauen“, erklärt Tobias Grosser, Projektleiter des WZH. Der Strom für die Elektrolyse wird entweder aus Windkraftwerken oder Photovoltaikanlagen oder idealerweise aus neuen Windkraftwerken in der Region Hamm kommen. Dafür werden mit den Betreibern der Erneuerbare-Energien-Anlagen sogenannte Power-Purchase-Agreements (PPAs) abgeschlossen, um die Versorgung des WZH mit grünem Strom sicherzustellen.
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Die Abwärme aus der Elektrolyse könnte in Zukunft ebenso wie die Abwärme des Kraftwerks als Fernwärme zur Versorgung des Hammer Ostens dienen.
Dies wird umso lohnender, je mehr Elektrolyseure gebaut werden. „Denn wir denken hier in die Zukunft – und damit auch an mehr als nur einen Elektrolyseur“, so Reinhard Bartsch.
Das Konzept des Wasserstoffzentrums Hamm überzeugte auch Klima- und Wirtschaftsministerin Mona Neubaur: Vor Kurzem erhielt das Wasserstoffzentrum eine Förderung in Höhe von 17,5 Millionen Euro vom Land, auch weil das Konzept als Vorlage für andere kommunale Projekte dieser Art dienen kann.
Zusätzlich macht Trianel – unabhängig vom Elektrolyseur – sein Kraftwerk „H2 ready“ – um Wasserstoff verarbeiten zu können, der über das geplante bundesweite Wasserstoffkernnetz angeliefert wird. „Der geplante Elektrolyseur des WZH ist für unsere Anforderungen im Gaskraftwerk schlicht zu klein, daher ist der Bezug von Wasserstoff über eine Pipeline notwendig“, erklärt Dr. Martin Buschmeier, Geschäftsführer des Trianel Gaskraftwerks Hamm.
Nach der Ertüchtigung beider Kraftwerksblöcke, bei der auch die Grundlage für die Wasserstofffähigkeit des Kraftwerks gelegt wurde, steht nun die Planung für einen dritten wasserstofffähigen Block an. Voraussetzung dafür sind verlässliche Planungs- und Investitionsbedingungen der Bundesregierung, ohne die sich dieses Projekt nicht realisieren lässt. Diese Rahmenbedingungen in Form eines Ausschreibungsmodells hat die Bundesregierung schon 2023 in der sogenannten „Kraftwerksstrategie“ angekündigt; die konkreten Eckpunkte stehen allerdings noch aus. Für das Vorhaben in Hamm-Uentrop ist als nächster Schritt die Gründung einer Projektgesellschaft mit diversen Partnern unter Führung der Stadtwerke Hamm vorgesehen, die die weitere Projektentwicklung übernehmen und an den geplanten Ausschreibungen teilnehmen könnte.
Ganz im Sinne der Nachhaltigkeit können am Trianel-Kraftwerk diverse Synergien genutzt werden: „Freie Fläche für den Elektrolyseur und die nötige Infrastruktur in Form von Netzund Gasanschlüssen sind bereits vorhanden“, weiß Dr. Martin Buschmeier. „Im zweiten Halbjahr 2026 könnte der Elektrolyseur die ersten lokal produzierten Wasserstoffmengen bereitstellen“, ergänzt Tobias Grosser. Der Bauantrag wird in wenigen Wochen gestellt, die Genehmigung wird für Ende des Jahres erwartet, der Baustart kann 2025 erfolgen.
Hauptabnehmer des Wasserstoffs werden der öffentliche Nahverkehr, die Logistikbranche und Industriebetriebe in der Region sein. „Die Stadtwerke Hamm haben bereits 30 Wasserstoffbusse bestellt, die im kommenden Jahr ausgeliefert werden sollen“, so Reinhard Bartsch. Ihr Einsatz macht aber erst Sinn, wenn der Wasserstoff diese Busse auch klimaneutral erreichen kann. Vorerst ist die Hoffnung, dass Gashändler schon ab 2025 grünen Wasserstoff in ausreichender Menge liefern können. Geplant ist, den Hammer Wasserstoff per Trailer, das sind spezielle LKW-Anhänger, vom Elektrolyseur zur Betriebstankstelle der Busse zu transportieren. Visionär dagegen ist, nicht mehr benötigte Gashauptleitungen des Stadtwerke-Netzes zu nutzen, zum Beispiel um weitere Gewerbegebiete wie den Hafen oder Wasserstofftankstellen an das Wasserstoffnetz anzuschließen.
Es ist viel Visionäres dabei, manche Planungen sind – wie bei Pilotprojekten üblich – noch unklar oder ungewiss. Sicher ist aber, dass Hamm und die Region in Sachen Wasserstoff eine Vorreiterrolle innehaben. „Innerhalb der nächsten zehn Jahre wird es uns gemeinsam gelungen sein, in Hamm eine nachhaltige Produktion von grünem Wasserstoff aufzubauen, von der die ganze Region profitiert“, verspricht Reinhard Bartsch unter Zustimmung von Dr. Martin Buschmeier und Tobias Grosser.